„Finger weg von Vertragsklauseln!“ – Architekten haften für rechtliche Formulierungshilfen
| Dr. Wolfgang Schindler (FA für Bau- und Architektenrecht) | News
BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22
Sachverhalt:
Nach Architekt (AN), beauftragt mit den Leistungsphasen 1 bis 8 im Rahmen der Objektplanung, unterstützt den Bauherrn (AG) bei der Vorbereitung der Vergabe an bauausführende Unternehmen. Dabei stellt er dem AG eine von ihm selbst formulierte Skontoklausel zur Verwendung in den Bauverträgen zur Verfügung. Die Klausel lautet: "DieFirma (…) gewährt (…) ein Skonto von 3% bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb von 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft." Im späteren Rechtsstreit mit einem Bauunternehmen wird festgestellt, dass diese Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) unwirksam ist. Der AG fordert daraufhin vom AN Schadensersatz in Höhe des entgangenen Skontobetrags.
Urteil:
Zu Recht! Zwar kann dem AN nicht angelastet werden, dass er die Unwirksamkeit der Klausel als AGB nicht erkannt hat – eine vertiefte juristische Prüfung ist von einem Architekten nicht zu erwarten. Allerdings überschreitet das eigenständige Formulieren und Weitergeben einer solchen Vertragsklausel die Grenzen des rechtlich Zulässigen: Es handelt sich um eine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Da das Berufsbild des Architekten keine allgemeine Rechtsberatung umfasst, ist die Klausel aufgrund der Überschreitung dieser Befugnis nichtig. Die Grundleistung „Mitwirken bei der Auftragserteilung“ in Leistungsphase 7 berechtigt nicht zur rechtsverbindlichen Formulierung oder rechtlichen Bewertung von Vertragsklauseln.
Praxistipp:
Der BGH stellt klar: Architekten müssen über solides Wissen im Werkvertragsrecht, im BGB sowie in der VOB/B verfügen. Daraus ergibt sich die Pflicht, den Bauherrn über das wirtschaftliche, planerische und rechtliche Umfeld des Projekts zu informieren – einschließlich der öffentlich-rechtlichen Anforderungen aus Bauplanungs- und Bauordnungsrecht. Aber: Die Grenze zur Rechtsberatung ist strikt zu beachten. Vertragsklauseln dürfen nicht eigenständig erstellt oder rechtlich bewertet werden – hierfür sind Juristen zuständig.